Die Ende der 1960er Jahre gegründete Schweizer Bluegrass Band Country Ramblers ist heute die älteste aktive Bluegrass Gruppe in unserem Land. Ihre hochstehende Qualität und die Tatsache, dass sie so früh als erste Schweizer Bluegrass Band diese Musik in die Welt hinaustrugen, liess sie zu Pionieren der europäischen Bluegrass-Szene werden.
Die Anfänge der Country Ramblers gehen weit zurück. 1969 lernten sich drei Studenten der Nationalökonomie kennen. Gitarren- und Mandolinenzauberer Tom Matejovsky freundete sich mit Daniel Perret an, der Gitarre, schottischen Dudelsack und Tinwhistle spielte. Tom war im August 1968, nach dem Einmarsch der Truppen der Sowjetunion, Polen, Ungarn und Bulgarien in seine Heimat, aus Prag in die Schweiz gekommen. In seiner alten Heimat war er Mitglied einer Rockband. Kurze Zeit später stiess Urs von Arx, Banjo-Picker und Earl Scruggs-Fan, dazu. Urs war Austauschstudent in den USA und hatte von dort seine Liebe zum 5-String-Banjo mitgebracht. Alle drei waren grosse Verehrer von Doc Watson, den sie von Schallplatten her kannten.
Man traf sich regelmässig zum Musizieren. Schon bald traten sie im AMIV-Keller an der ETH auf, wo der British & American Folk Music Club seine wöchentlichen Treffs hatte. Besucher dieses Clubs waren damals auch Erwin Bucher – er spielte Mundharmonika, Gitarre und später auch Mandoline – und Roland Ambühl, seine Instrumente waren das 5-String-Banjo und die Gitarre. Diese beiden wurden Mitglieder und komplettierten die Band. Da das 5-String bereits «besetzt» war, lernte Roland Fiddle spielen. Dazu kamen später noch die Mandoline und die Mundharmonika. Von ihm sagt man, dass er so ziemlich alles spielen kann, «was gerade so herumliegt».
Das Quintett, welches sich in Anlehnung an die New Lost City Ramblers nun Country Ramblers nannte, übte fleissig. 1969, im Gründungsjahr, traten sie im Rahmen der Konzerte des Folkclubs Zürich erstmals öffentlich auf. Das vielseitige Repertoire ermöglichte es der Band, durch alle möglichen Kleintheater und Kulturkeller der Deutschschweiz zu ziehen.
Bereits 1971 sammelten sie internationale Erfahrungen. Sie erhielten- Engagements in Paris und am äussersten Zipfel Frankreichs, in Brest. Im dritten Jahr nach der Bandgründung gaben sie ihre erste Schallplatte, «Lonesome Sound», heraus. Sie wurde am 27. und 28. Mai 1972 von Fredi Zemp in der Aula Ramibühl in Zürich aufgezeichnet. Die Auflage von 1000 Stück wurde an ihren Konzerten sehr erfolgreich verkauft. In diese Zeit fielen auch die ersten Fernsehaufnahmen mit dem Schweizer Fernsehen. Die Ramblers entschlossen sich mit Aufnahmematerial, die sie in der Saison 1972/73 an verschiedenen Konzerten gemacht hatten, in den von den Beatles gegründeten Apple Studios in London mastern zu lassen. Die zweite Vinyl-Scheibe «Bellevue Square Dance» erschien 1973.
Nach den ersten erfolgreichen Jahren häuften sich innerhalb der Band die Diskussionen um die musikalische Ausrichtung. Im September 1974 erfolgte die Auflösung. Urs von Arx und Tom Matejovsky wollten der Bluegrass Musik treu bleiben und machten zu zweit weiter. Schon kurz darauf erhielten sie Verstärkung. Der ehemalige Bluesmusiker und Gitarrist Edy Schreyer, der später auch Dobro spielte, gesellte sich zu dem Duo. Auch Roland Ambühl trat wieder in die Band ein.
Die nächsten Jahre stellten wohl die erste Blütezeit der Country Ramblers dar. Edy Schreyer brachte neben seinem Talent auch gute Beziehungen ein. Ein Vertrag mit BASF eröffnete die Möglichkeit, erste Studioaufnahmen zu machen. Das Resultat dieser 1975 im Berner Sinus Studio aufgenommenen Takes war die dritte Vinyl-Scheibe, die unter dem Titel «Daybreak» erschienen ist. In der Folge erschienen drei weitere Vinyl-Scheiben (1976 «Heartbreakers», 1976 «Best Of» und ab 1978 mit «America» erschienen ihr Platten unter dem Label Gold Records).
Es folgten viele Auftritte im In- und Ausland. Die humorvollen Ansagen von Edy sorgten für gute Laune. Die lockere Bühnenpräsenz und der eigene Sound wurden die Markenzeichen der Ramblers. Tom Matejovsky sagt dazu auch heute noch, dass der Spass beim Musikmachen in der Band immer im Vordergrund stand. Das kam beim zahlreichen Publikum sehr gut an.
Die Medienpräsenz war in dieser Phase sehr gross. Sogar im Mutterland des Bluegrass erschienen in den Fachzeitschriften «Pickin’» und «Bluegrass Unlimited» Artikel und Plattenrezensionen. Als sie 1977 vom Herausgeber des «Bluegrass Unlimited» Magazin Pete Kuykendall eingeladen wurden, um auf einem Festival in Indian Springs zu spielen, nutzte die Band diese Gelegenheit für weitere Auftritte in den Vereinigten Staaten. Während dieser Tournee traten sie untern anderem auch an Ralph Stanleys Festival in McClure in Virginia auf. Dort trafen sie Bill Monroe, der sie spontan ins Opryland einlud und auch an seinem Bluegrass-Festival in Bean Blossom in Indiana aufzutreten.
Um die Jahrzehntwende verliess Banjo-Picker Urs von Arx die Band aus beruflichen Gründen in Richtung USA und wurde zuerst von Bobby Lauer, danach von Peter Schück ersetzt. Der Beitritt des Bassisten Markus Fritzsche machte die Gruppe zum Quintett und brachte einen weiteren wesentlichen Schub an Professionalität. Nicht nur mit seinem herausragenden Bassspiel; er legte auch sehr viel Wert auf die Harmonien und Phrasierung im Gesang. In dieser Formation holten sie 1981 am Marlboro-Festival of Country Music in Zürich den ersten Platz. Und in demselben Jahr folgte eine weitere LP, «Bluegrass Festival In The Sky». In der darauffolgenden Zeit war die Band sehr aktiv, spielten unzählige Konzert im In- und Ausland. Ein weiterer Höhepunkt in der glanzvollen Karriere stellte 1985 die goldene Schallplatte für über 25’000 in der Schweiz verkaufte Tonträger dar. Einmalig für eine Schweizer Bluegrass Band! Anlässlich dieser Verleihung erschien eine weitere Schallplatte – «15 Golden Years» – mit Samplern des Schaffens aus den Jahren 1970 – 1985. Die 1987 aufgenommene Scheibe «Picking The Line», nun wieder mit Urs von Arx am Banjo, stellte einen weiteren Höhepunkt in bezug auf Qualität und Produktion dar.
1989 schied der Kleinbasler Edy Schreyer aus gesundheitlichen Gründen aus der Band aus. Er erlag 1998 seiner schweren Krankheit. Edy Schreyer hinterliess eine grosse Lücke. Die Gruppe war gezwungen ihr Programm neu auszurichten. Sie gab dann aber 1992 mit «Midnight Flyer» ihren letzten und – in den Augen der heutigen Bandmitglieder – wohl besten Tonträger heraus. Wo bei den ersten Platten noch die Instrumentalleistung im Vordergrund stand, lag die Betonung inzwischen auf dem Ausfeilen des Harmoniegesangs, der ja den Klang des Bluegrass so einmalig macht.
Obwohl der Band ihre wichtige Rolle in der europäischen Bluegrass-Szene eigentlich nie so richtig bewusst war, wurde ihr im Jahre 2014 von der EBMA der Award als European Bluegrass Pioneers verliehen. Über diese verdiente Anerkennung ihrer Leistung freuten sie sich natürlich sehr. Dies um so mehr, als ein Jahr zuvor der Banjo-Picker Pete Stanley diesen Preis zugesprochen erhielt und sie somit auf dieselbe Stufe wie eines ihrer Vorbilder gestellt wurden.
Die Band war und ist immer noch aktiv, obwohl Urs von Arx in den USA lebt, weshalb die Auftritte der Country Ramblers seltener geworden sind. Sie nutzten jeweils bei seinen Besuchen in seiner Schweizer Heimat die Gelegenheit für Auftritte. Er ist jetzt neuerdings pensioniert und wird sich bestimmt vermehrt in der Schweiz aufhalten. Seinen in vielen Jahren aufgebauten Lebensmittelpunkt in den USA mag er aber nicht ganz aufgeben. Wer aber die Gelegenheit erhält, ein Live-Konzert dieser legendären Band zu besuchen, sollte diese unbedingt nutzen. Tom Matejovsky, Urs von Arx, Roland Ambühl und Markus Fritzsche vermögen auch heute noch ihr Publikum zu begeistern.
So wie es aussieht, werden sie es aus verschiedenen Gründen in diesem Jahr nicht schaffen, ein Konzert zu ihrem 50-jährigen Jubiläum (!) zu organisieren. Wir werden das gerne auch im nächsten Jahr mit ihnen feiern! Die Mitglieder der Band haben enorm viel für die Bluegrass Musikszene in der Schweiz und ganz Europa geleistet. Nicht nur auf der Bühne, sondern auch sonst haben sie viel für unsere Szene getan. So hat Roland Ambühl bis 2015 das Layout der SBMA News gestaltet. Sie sind seit Jahrzehnten Mitglieder somit ein Aushängeschild der SBMA. Darauf sind wir stolz.
Text: Beat Heri / Fotos: zvg